Strukturreformen und verlässliche Haushaltsregeln. Darin besteht das „Rezept“ für Europa des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, das er am 16. Juli im Allianz Forum anlässlich der Vigoni Lecture zum Thema Eine Union für das 21. Jahrhundert. Wie Europa in gute Verfassung kommt darlegte. Hinsichtlich dessen, was Europa leisten muss, um aus der Krise herauszukommen, bestehe, so Schäuble, eine Übereinstimmung mit seinem italienischen Amtskollegen Pier Carlo Padoan. „Das wichtigste ist“ – so der Minister – „dass man sich klar macht: Vertrauen und Wachstum sind in die Euro-Zone zurückgekehrt, nicht obwohl, sondern gerade weil viele Euroländer zugleich ein bisschen sparsamer mit dem Geld umgegangen sind. Manche glauben immer noch, es gäbe einen Widerspruch zwischen Haushaltssanierung und Wachstum. Das Gegenteil ist richtig: Nur wenn wir eine nachhaltige Finanzpolitik betreiben, wird auch das Vertrauen der Anleger, Investoren und Konsumenten in die Stabilität Europas nachhaltig zurückkehren“.
Es sollen jetzt die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Wachstum und Arbeitsplätze geschaffen werden. In diese Richtung gehen die jüngsten EU-Maßnahmen im Bank- und Finanzsektor: „Wir müssen die Finanzmärkte weiter so regulieren, dass sie der Realwirtschaft nützen. Die Bankenunion wird helfen, dass gesündere Banken ihrer Finanzierungsfunktion für Unternehmen wieder besser nachkommen. Aber die Lage im Finanzsektor ist noch angespannt. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen sind auf Förderkredite und vor allem auf Wagniskapital dringend angewiesen. Wir haben deswegen zuletzt die öffentlichen Förderbanken gestärkt. Wir haben die Kredite der Europäischen Investitionsbank für kleine und mittlere Unternehmen aufgestockt“.
Im Hinblick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit betonte Schäuble die Dringlichkeit tiefgreifender Reformen: „Wir müssen die Strukturreformen auf den Arbeitsmärkten voranbringen – gerade, um Jugendlichen wieder Chancen zu eröffnen. Wir müssen die strukturellen Ursachen der Probleme angehen. Wir brauchen Ausbildungssysteme, die sich stärker am Bedarf der Arbeitsmärkte ausrichten, Strukturreformen, die den Zugang junger Menschen zum Arbeitsmarkt erleichtern, und flexible Systeme der Lohnfindung, die die Produktivität berücksichtigen“.
Eine Stärkung des europäischen Binnenmarkts zum Beispiel in der Energieversorgung ist für den Bundesfinanzminister ebenfalls eine Priorität: „Wir sollten uns auch um eine Energieunion bemühen. Wir müssen unsere nationalen Energienetze verbinden zu einem intelligenten europäischen Netz, das Energieproduktion und -verbrauch zusammenbringt. Und wir brauchen eine europäische Strategie für den Umstieg auf nachhaltige Energien. Europa muss seine Abhängigkeit von Importen und schwindenden Ressourcen reduzieren“.
Nur durch koordinierte Fortschritte auf diesen strategischen Feldern könne Europa die Chance haben, „das sozialstaatliche Niveau“ zu erhalten, das es so attraktiv macht. „Um unseren Wohlstand bewahren zu können, müssen wir immer ein bisschen besser, stabiler, attraktiver sein als andere Weltregionen. Es geht darum, den Erfolg unseres europäischen Lebensmodells im globalen Systemwettbewerb auch künftig zu beweisen. Nur dann können wir weltweit neue Ordnungen mitgestalten, die von europäischen, westlichen Werten geprägt sind. Und nur dann werden wir gemeinsam – Italiener und Deutsche – auch künftig in einer Welt leben können, die unseren eigenen Ansprüchen gerecht wird“.