
Dr. Luca Corti, Padova;
Dr. Julia Peters, Tübingen
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war "Anthropologie" nicht nur in Deutschland die Bezeichnung für eine Gruppe von Ansätzen, die versuchten, die Frage zu beantworten: "Was bedeutet es, ein Mensch zu sein?". Anthropologie war jedoch nicht der Name einer kodifizierten Disziplin, sondern eher eine Sammlung heterogener Standpunkte.
Unter dem Eindruck neuer Entdeckungen in naturwissenschaftlichen Bereichen wie der Physiologie, der empirischen Psychologie, der vergleichenden Anatomie, aber auch der Geographie, geriet das traditionelle Menschenbild allmählich ins Wanken. Es öffnete sich ein Raum für die empirische Erforschung des Menschen und seine Naturalisierung. Einige Philosophen, wie z. B. Kant, betonten hingegen die Einzigartigkeit einer philosophischen Herangehensweise an die Frage und wandten sich gegen den Versuch, die Frage nach dem Menschen ausschließlich den Wissenschaftlern zu überlassen.
Die nachkantische Anthropologie ist vor allem deshalb philosophisch so brisant, weil sie sich theoretisch mit diesen beiden Tendenzen und den von ihnen aufgeworfenen Fragen auseinandersetzen muss, von denen viele immer noch im Mittelpunkt der aktuellen philosophischen Landschaft stehen. Vor diesem Hintergrund will die Veranstaltung einige grundlegende Texte dessen, was wir als "klassische deutsche Anthropologie" bezeichnen, beleuchten und ihr Potenzial für die heutige Debatte neu bewerten.