Vom 16. bis 19. Mai 2022 fand die Veranstaltung „Quante facce ha la sovranità? – Wie viele Gesichter hat die Souveränität?” an der Villa Vigoni statt. Dort tauschten sich italienische und deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit fünf Gästen aus: Dr. Angelo Bolaffi, Prof. Alessandra Di Martino, Dr. Barbara Lippert, Prof. Markus Llanque und Prof. Andreas Voßkuhle.
Den Ausgangspunkt des Kolloquiums bildete die allgemeine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Europa und besonders das Urteil vom 5. Mai 2022 zu den Beschlüssen der EZB. Das Urteil hatte erneut die Frage aufgeworfen, ob die Rechtsprechung in Karlsruhe als Rückkehr zur nationalen Souveränität gelesen werden kann, die sich der europäischen Rechtsprechung entgegenstellt.
Mit diesem Urteil wurden die Voraussetzungen geschaffen, das Konzept der Souveränität aus mehreren Blickwinkeln zu untersuchen (juristisch, philosophisch, politologisch). Dieser interdisziplinäre Ansatz hat es ermöglicht, eine offene und ungezwungene Debatte zu führen, die sich nicht in fachbereichsspezifischen Details verläuft. Dabei wurde zum einen die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der sog. Ultra-vires Entscheidungen kritisch untersucht. Zum anderen spielte die italienische Rechtsprechung besonders nach den zivilrechtlichen Entschädigungen an die Opfer des Dritten Reichs, die sog. controlimiti, eine prägnante Rolle.
Eine Vielzahl der Beiträge aus verschiedenen Bereichen – angefangen bei der Rechtsdogmatik in engerem Sinn über deren Begriffsgeschichte bis hin zur Bewertung der sog. „strategischen Autonomie“ Europas – sprach von einer „Renaissance“ des Souveränitätskonzeptes. Darüber hinaus musste sich das Kolloquium zwangsläufig mit dem radikalen Wandel des Souveränitätskonzepts auseinandersetzen, der durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöst wurde.
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