Perspektiven und Prioritäten der Jugend
In den letzten Monaten ist den Europäern deutlich geworden, dass sich eine neue Weltordnung abzeichnet, die viele Gewissheiten der vergangenen Jahrzehnte über unsere politischen Werte, unsere Bündnisse, unseren Wohlstand und unsere Sicherheit massiv auf die Probe stellt. Es drängt sich immer stärker die Frage auf, wie sich Europa in dieser Umbruchsphase und damit letztendlich in der neuen Weltordnung positioniert. Die Abschlussveranstaltung des Projekts German Italian Young Voices hat zu dieser Auseinandersetzung einen kleinen Beitrag geleistet. Das aus dem Erasmus+ Fond finanzierte und von den jungen Vereinsmitgliedern der Villa Vigoni Maximilian Hausmann, Alberta Ivaldi und Serena Ceccarelli koordinierte Jugendpartizipationsprojekt begann als Sensibilisierungskampagne zu den Europawahlen 2024, um junge Menschen mit der Europapolitik vertraut zu machen und zugleich ihren Anliegen mehr Gehör zu verschaffen. Getreu diesem Ansatz organisierte die Gruppe eine gemeinsame Reflexion der Wahlen aus dem vergangenen Jahr, der Entwicklungen seither und der noch ausstehenden Schritte auf dem europäischen Weg in die Zukunft.
Am Freitag, dem 28. Februar, fand im Palazzo Nuovo der Universität Turin in Zusammenarbeit mit dem jungen Turiner Think Tank Osservatorio Italiano di Politica Internazionale (OIPI) eine Podiumsdebatte unter dem folgenden Titel statt: Italien und Deutschland in einem sich wandelnden Europa. Perspektiven und Prioritäten der jungen Generation.
Als RednerInnen nahmen teil: MEP Benedetta Scuderi (Alleanza Verdi e Sinistra, Europa Verde), MEP Giovanni Crosetto (Fratelli d’Italia), Prof. Giovanni Boggero (Universität Turin und Mitglied der Villa Vigoni), Letizia Tortello (La Stampa) und Fabio Rotondo (The Good Lobby).
Um einen offenen, überparteilichen und generationsübergreifenden Austausch im Sinne des deutsch-italienischen Auftrags der Villa Vigoni zu fördern, wurden unter anderem eine Abschlussklasse des Turiner Gymnasiums Gioberti, mehrere StudentInnen, DoktorandInnen und DozentInnen der Universität Turin, junge Berufstätige und VertreterInnen des ehemaligen Goethe-Instituts Turin eingeladen.
Die Veranstaltung widmete sich zunächst den Ergebnissen der Europawahlen und ihren Folgen für die Neuzusammensetzung des Europäischen Parlaments aus einer deutsch-italienischen Perspektive. Die Abgeordneten Scuderi und Crosetto berichteten von ihrer alltäglichen Arbeit als Parlamentarier, während Fabio Rotondo die Kampagne „Ich wähle von auswärts“ („Io voto fuorisede“) erläuterte. Anschließend wandte sich die Debatte den aktuelleren Wahlen in Deutschland zu: Boggero und Tortello analysierten die Ergebnisse und Folgen der Bundestagswahl und diskutierten die Unterschiede zwischen Ost und West sowie die Abgrenzung von extrem rechts unter dem Stichwort „Brandmauer“. Danach stand der von der EU-Kommission präsentierte Kompass der europäischen Wettbewerbsfähigkeit im Fokus. Der Schwerpunkt lag einerseits auf den Herausforderungen in den Bereichen Industrie, Forschung und Energie, da die Abgeordneten Scuderi und Crosetto Mitglieder des gleichnamigen Ausschusses sind, und andererseits auf dem technologischen Fortschritt und seiner europäischen Regulierung. Am Ende hatte das Publikum die Gelegenheit, Fragen zu stellen und eigene Anregungen mitzuteilen, die von den RednerInnen aufgegriffen wurden. So entstand ein fruchtbarer Austausch über die Chancen und Herausforderungen, vor denen Europa steht.
Veranstaltungen wie diese ermöglichen einen direkten Kontakt zwischen ExpertInnen für Europapolitik und weniger informierten Menschen, um die viel zitierte Distanz zwischen der Politik und dem Rest der Gesellschaft zu verringern. Die Anregungen, die dabei entstehen, führen im besten Fall zu einer nachhaltigen Sensibilisierung und einer weitergehenden Beschäftigung mit den Themen, ganz im Sinne einer demokratischen Aufklärung. Diese ist angesichts der Herausforderungen, vor denen Europa steht, nötiger denn je. Denn es ist die Überzeugung der Projektverantwortlichen, dass Europa diese Herausforderungen nur im Geiste der Demokratie meistern wird.
Die Debatte wurde live auf dem YouTube-Kanal der Villa Vigoni übertragen. Die Aufzeichnung ist hier verfügbar.
Direkt im Anschluss besuchte die Gruppe von German-Italian Young Voices die European Training Foundation (ETF), eine EU-Institution mit Hauptsitz in Turin, die Partnerländer außerhalb der EU bei der Reform ihrer Bildungs-, Berufsbildungs- und Arbeitsmarktsysteme unterstützt. Die ETF-Vertreter präsentierten insbesondere ihre Arbeit in und mit den östlichen Partnerländern Ukraine, Georgien, Moldawien, Aserbaidschan, Belarus und Armenien.
Am Samstag, dem 1. März, richtete der Think Tank OIPI ein Treffen im gemeinnützigen Zentrum für soziale Innovation SocialFare aus, das den Abschluss des zweitägigen Workshops bildete. Die Debatte befasste sich mit der Zukunft der transatlantischen Beziehungen und der Rolle Europas angesichts der neuen geopolitischen Machtverhältnisse. Neben den Vertretern von OIPI und German Italian Young Voices nahmen MEP Brando Benifei (Partito Democratico; Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen EU-USA des Europäischen Parlaments) und Sherif El Sebaie (Marshall Memorial Fellow of the German Marshall Fund) teil.
Das Projekt German-Italian Young Voices ist damit offiziell zum Abschluss gekommen. Die Teilnehmer bleiben jedoch innerhalb der Initiative Junge Villa Vigoni aktiv, die auch in Zukunft Projekte anbieten wird, um den deutsch-italienisch-europäischen Dialog voranzutreiben.
Credits
Text: Maximilian Hausmann
Fotos: Lorenzo Huskamp
Video: Federico Nellen
Recent Comments