Geschichte

Die Familie Mylius Vigoni: eine deutsch-italienische Tradition

Die Geschichte der Villa Vigoni beginnt Ende des 18. Jahrhunderts, als der knapp zwanzigjährige Heinrich Mylius (1769 – 1854) von Frankfurt am Main nach Mailand zieht, um die Handelstätigkeiten des Familienunternehmens auf Italien auszuweiten. Dank seines außergewöhnlichen unternehmerischen Geschicks gelingt es ihm, innerhalb weniger Jahre einen beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen und ein vermögender Mann zu werden. Doch Mylius bewegt sich nicht nur in den deutsch-italienischen Geschäfts- und Finanzkreisen. Seine Leidenschaft für Literatur, Philosophie, Kunst und Musik bringt ihn in Kontakt mit der zeitgenössischen Mailänder Kulturszene. Zu Persönlichkeiten wie Massimo d’Azeglio, Francesco Hayez und Alessandro Manzoni knüpft er freundschaftliche Beziehungen. Im Jahr 1799 heiratet Mylius in Weimar Friederike Schnauss (1771-1851). Sie ist es, die ihn am Hofe des Großherzogs Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach vorstellt, wo er Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Johann Wolfgang von Goethe kennenlernt. Die daraus entstehenden Kontakte sowie die Beziehungen in Mailand machen Mylius zu einer Schlüsselfigur im deutsch-italienischen Kulturaustausch. Er ist davon überzeugt, dass die Vermittlung zwischen Kulturen unverzichtbar für ein besseres Zusammenleben und den Austausch zwischen Ländern, Institutionen und Menschen ist. Als Mäzen und Philanthrop finanziert er die Einrichtung von Kindergärten, Schulen, Bibliotheken, er vergibt Auszeichnungen für Studierende und Stipendien. In Mailand verwirklicht er sein ehrgeizigstes Vorhaben: die Gründung und Finanzierung der Società d’Incoraggiamento d’Arti e Mestieri. Diese „Gesellschaft“ ist die erste technische Hochschule in Italien. Aus ihr geht 1863 die Polytechnische Universität Mailand hervor.

Vom Familiensitz zum Ort der Kunst und der Erinnerung: die Entstehung der Villa Mylius Vigoni am Comer See

Im Jahr 1829 erwirbt Heinrich Mylius ein Anwesen in Loveno oberhalb des Ortes Menaggio als Geschenk für die bevorstehende Hochzeit seines Sohnes Giulio mit Luigia Vitali. Als Giulio jedoch wenige Tage nach der Hochzeit nach kurzer, schwerer Krankheit verstirbt, wird der Besitz am Comer See umgestaltet: Er wird ein Ort der Erinnerung und der Meditation über Verlust, Trauer, Schicksal und Zuversicht. Die Kunstwerke, die Mylius in Auftrag gibt, sind Zeugnisse einer Kultur der Erinnerung, die über die private Familiengeschichte hinausweist.

Mylius will das sogenannte „Tempelchen“ im Park, die Gemälde und Skulpturen verstanden wissen als Ausdruck der „conditio humana“ und der Werte, die ihm wichtig sind: Menschlichkeit, Bildung, Spiritualität und Kreativität. Der Bewahrung und Pflege dieses ideellen und materiellen Erbes wissen sich auch die drei Generationen nach Heinrich Mylius verpflichtet. Der letzte Nachkomme, Ignazio Vigoni Medici di Marignano, überträgt die Verantwortung für dieses Erbe mit einem testamentarisch festgelegten Vermächtnis der Bundesrepublik Deutschland.

Mit diesem Vermächtnis beabsichtige ich, der Tradition, die auf Heinrich Mylius und Goethe zurückgeht, meine Ehrerbietung zu erweisen und sie mit neuem Leben zu erfüllen.

Vom Familiensitz zum Ort der Kunst und der Erinnerung: die Entstehung der Villa Mylius Vigoni am Comer See.